back to the roots

Wie 2 sich finden, um Partner zu werden…

Teil drei

Nachdem Stella bei unserem Spaziergang im Wald ihrer Bedrängnis durch Flucht Erleichterung verschaffte, hielt ich es für angebracht, gründlich über die Aspekte der Situation zu reflektieren. Offensichtlich ist für mich, dass ich weiterhin an meiner Präsenz arbeiten darf. Noch mehr bei mir bleiben. Noch klarer sein – in allen Situationen für den nötigen Abstand und die nötige Ruhe sorgen. Eine von uns beiden muss lernen, ihre Impulse zu regulieren. Und ich bin diejenige, die dabei voran gehen darf.

Stella versucht, allen Herausforderungen mit Schnelligkeit zu begegnen. Das kenne ich auch von mir. Als ich jünger war, fiel mir das oft auf die Füße. Heute bin ich besser geworden dabei, mein Tempo zu verlangsamen und meine Schritte mit Bedacht zu wählen. Die Themen zwischen Mensch und Pferd sind nach meiner Erfahrung genau das: gemeinsame Themen. Und dank Stella werde ich immerzu in meiner Entwicklung angestoßen.
In diesem Jahr lag unser Schwerpunkt darauf, dass Stella sich meinem Schritt anpasst. Nicht hinterher trietschelt oder voraus eilt oder nach Lust und Laune stehen bleibt. Nicht Lektionen darbietet, sondern genau auf mich achtet. Das ist Schwerstarbeit, denn sie ist bemüht, alle Aufgaben eilig zu erfüllen. Beinahe übermotiviert geht sie ans Werk. Woher kenne ich das bloß?

Also habe ich sie mit auf den Reitplatz genommen, um unser beider Fokus zu trainieren. Nebeneinander Schritt halten geht immer besser. Tempowechsel beginnen geschmeidiger zu werden. Wenn ich Stella ein Signal gebe, mit mir im Tempo zu bleiben, hat sie die Tendenz aufzuschließen und mich dabei leicht zu überholen. Dabei kommt sie nahe an mich heran und manchmal drängt ihre Schulter in meinen Raum. Unser Abstand-Thema. Die Kombination Tempo mit mir halten, ohne zu überholen und dabei Abstand einzuhalten ist schwierig. Viele Pausen und extrem kleine Schritte sind notwendig. Erst im ganz langsamen tun habe ich die Möglichkeit, Stella für das, was sie gut gemacht hat, zu loben. Für die Gewichtsverlagerung in die gewünschte Richtung zum Beispiel.

Wir üben zuerst, indem ich neben ihr gehe. Dann stelle ich mich vor sie, mache nur einen Schritt rückwärts und fordere sie auf, mir zu folgen. Nur einen Schritt. Madam marschiert auf mich zu und zielstrebig zu mir. Bremsen. ‚Nein, mein Mädchen, so war das nicht gemeint. Schau mal… probiere mal… ein Schritt‘. Ich hebe mein Bein. Ganz langsam beginnt sie zu verstehen, dass unser Spiel gar nicht langweilig ist, sondern Aufmerksamkeit fordert. Mein Tempo halten, meinen Füßen folgen, Abstand halten. Wir üben das. Sie versteht, worum es geht und gibt sich wie immer größte Mühe. Viele Pausen, Ruhe, Lob, ein bisschen nebeneinander gehen, rumstehen, wiederholen. Sehr fein. Ich weiß, wir werden das noch einige Wochen immer wieder üben, bis sie es nicht mehr als lästige Zumutung empfindet, gebremst zu werden. Das Wichtigste dabei ist, dass ich mich von ihrem ‚okay, machen wir schnell‘ nicht anstecken lasse und in mein altes Muster von ‚klar – ist gleich erledigt‘ verfalle. 

Wenn ich nicht sehen würde, dass Stella in der Herde und auch mit anderen Menschen die gleichen Verhaltensmuster an den Tag legt, wie mit mir, würde ich gänzlich denken, alles was sie tut, tut sie um mich zu spiegeln. Sie spiegelt mich, ja. Und zugleich haben wir unabhängig voneinander die gleichen Themen. Wir haben uns gesucht und gefunden. Wir lernen voneinander und miteinander.

Weiter in Teil 4