Die Kraft des NEIN

Wie 2 sich finden, um Partner zu werden…

Teil neun

Nach meinem persönlichen Durchbruch, Stella gegenüber authentisch meinen Ärger zu zeigen und ein ‚Schluss-jetzt‘ zu verkörpern, ist ein interessantes Phänomen aufgetreten. Wie zu erwarten erhalte ich nun mehr Respekt und Aufmerksamkeit von Stella. Und da es mir weiterhin gelingt, ruhig und bestimmt zu bleiben, verändert sich unser Beisammensein. Ich darf weiterhin sorgfältig darauf achten, ob sie nur abgelenkt ist oder ob sie Angst hat. Denn obwohl sie jetzt auch in der Halle mehr Vertrauen in mich zeigt, gibt es Tage, an denen ihr die Geräusche und Aktivitäten auf dem Hof zu viel sind. Ein Wesen, das Angst hat, kann nicht lernen. Schon allein deswegen ist es wichtig, dass ich Stella in solchen Situationen zurück auf den Hof führe, bevor sie sich zu sehr aufregt und es dann erneut mit ihr in der Halle versuche.

Wirklich spannend, wenn auch unangenehm, waren die ‚Nebenwirkungen‘ meiner neuesten Errungenschaft. Sie haben ganz persönlich mit mir selbst zu tun.

Wie aus ‚heiterem Himmel‘ erlitt ich in den vergangenen zehn Tagen immer wieder Anfälle von Aggression. Scheinbar ganz ohne Auslöser befiel mich ein innerer Groll, mit dem ich wenig anzufangen wusste. Ärger rumorte in mir. Dann stiegen Erinnerungen in mir auf und mir wurde bewusst, dass mein Ärger alt war. Der Zorn eines Kindes tobte in mir mit seiner ganzen Verzweiflung, Hilflosigkeit und Trauer. Unversöhnlich und nachtragend stampfte ich innerlich mit dem Fuß auf. Die Ungerechtigkeiten, die Verbote, mich zu wehren, die Unmöglichkeit NEIN zu sagen, die Drohungen und Sanktionen und mein uralter Groll, weil ein Teil von mir überzeugt ist, dass mir all diese schlimmen Dinge nie hätten passieren dürfen…

      Das stimmt einerseits, doch ändern tut das wenig. ‚Es ist vorbei‘, sagen wir. Doch es dauert, bis wir lernen, uns von einer Behinderung – sei sie auch seelisch-emotional – nicht mehr behindern lassen. Ich wusste nicht, wohin mit meinem alten Zorn, der darunterliegenden Trauer, den Bildern der Erinnerung und meinen unaufhörlich kreisenden Gedanken. Also tat ich, was mir hilft und ging zu Stella, wo mein Inneres und mein Geist immer Frieden finden. Außerdem begann ich wieder zu malen, was mir auch ‚Urlaub‘ von mir selbst ermöglicht.

      Mein innerer Druck wurde dennoch stärker und unfähig dem Schmerz Ausdruck zu verleihen, begann die angestaute Wut mich zu vergiften. Müdigkeit, Kopfschmerz, depressive Verstimmung, alles tat mir weh. Natürlich weiß ich, dass meine Depression von nicht gelebter Aggression kommt. Ich bin vom Fach. Nur was hilft mir dieses Wissen, wenn ich keinen Ausdruck finde? Ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Es geht also darum, hier und heute meine Tatkraft einzusetzen. Unter der gefühlten Tonnenschwere meiner inneren Last schien mir auch diese Erkenntnis wenig hilfreich.

      Zum Glück habe ich genügend Erfahrung mit meinen inneren Dämonen, um zu wissen, dass Heilung möglich ist. Ich meditierte und gab meinen Gefühlen Raum. Erst einmal anerkennen, dass es wirklich schlimm war damals. ICH muss das anerkennen. Die Wunde ist real und sie brach auf, weil ich jetzt beginne zu tun, was mir damals verboten war. Es geht darum zu fühlen und dem kleinen Mädchen von einst zu helfen, ihre Meinung über sich selbst und das Leben zu verändern. Die Behinderung auflösen heißt manchmal, in den Schmerz und die gefühlte Schwäche hinein zu gehen. Es geht nicht darum auszuhalten oder durchzuhalten. Es geht nicht darum, die Wunde mit all ihren Folgeschäden zu ertragen.

      Es geht darum anzuerkennen, zu welchen Überzeugungen ich über mich und das Leben gekommen bin. ‚Ich bin nichts wert‘ und ‚alles ist sinnlos‘… das fühlt sich nicht schön an. Und die Auswirkungen solcher Glaubenssätze im Leben sind ebenfalls wenig prickelnd. Nachdem es um meine Tatkraft geht, gibt es hier nur eins: Entmachten! Hier laufe ich gegen eine Wand und in diese Wand werde ich jetzt Löcher bohren. Ich werde diese Wand auflösen!

Es gibt in der Trauma-Therapie eine sehr einfache Behandlungstechnik, die ich auch bei meinen Klienten anwende. Das Schöne ist: sie funktioniert auch in der Selbstbehandlung. Schon während ich mich therapiere bemerke ich, wie die alten Bilder und Gefühle ihre Macht verlieren. Die Sonne scheint noch nicht, doch die Gewitterwolken haben sich verzogen. Die Last ist abgefallen. Ich kann atmen! Heute bin ich meinem wahren Selbst wieder ein kleines Stück nähergekommen.

Und für alle, die ebenfalls alte Geister und Dämonen haben…. dranbleiben, es lohnt sich, es gibt Wege. Selbst dann, wenn du sie nicht siehst. Den Weg nicht sehen zu können ist eine Auswirkung der alten Schatten. ES GIBT WEGE. Auch für DICH.

Weiter in Teil 10