Wie 2 sich finden, um Partner zu werden…
Teil fünf
Stella steht zufrieden auf der hinteren Koppel und grast mit der Herde. Es ist bereits Nachmittag, die Sonne scheint und irgendwie fühlt es sich an wie Frühling, obwohl es doch schon November ist. Stille und Frieden liegen über dem Hof. Der Großteil meiner Arbeit für den Tag ist bereits erledigt und ich nutze meine freien Stunden, um zu sehen, ob mein Mädchen in Stimmung ist, etwas mit mir zu unternehmen.
Ich gehe auf der vorderen Koppel in Richtung der Herde. Als Stella mich durch die Bäume heran nahen sieht, hebt sie den Kopf und sieht mich mit wachen und erwartungsvollen Augen an. Dann grast sie weiter, bis ich beinahe auf ihrer Höhe angekommen bin, hebt ihren Kopf erneut und ich kann schon an ihrer Haltung sehen, dass sie bereit ist. „Hallo Schöne. Magst du mitkommen?“ frage ich sie, nicke ihr zu und wende mich zum Gehen. Sofort setzt sie sich in Bewegung und galoppiert am Bach entlang zur Furt. Dort bleibt sie stehen und sieht mich fragend an. Nach ein paar Schritten bleibe ich ebenfalls stehen und wende mich ihr zu. „Na komm mein Herz“, und sie steigt in das jetzt knietiefe Wasser, durchquert die Furt und kommt langsam auf mich zu. Sie wirkt zufrieden und selbstbewusst. Zugleich spüre ich, wie ihre Lebenskraft aus jeder ihrer Poren strömt.
Sie weiß, ich mag es nicht, wenn sie zu stürmisch auf mich zu gelaufen kommt. Ich sehe in ihre Richtung, doch knapp an ihr vorbei und sie weiß, das bedeutet sie möge sich behutsam nähern. Das tut sie und wir begrüßen uns Hand an Nüstern. Wir stehen kurz gemeinsam, dann gehe ich in Richtung Unterstand und sie folgt mir ein paar Schritte. Und wieder bricht die gedrosselte Lebensenergie aus ihr heraus. Pferdespiele wünscht sie sich mit mir. Doch dafür bin ich in diesem Körper nicht ausgestattet. Sie tanzt zwei kleine Sprünge um mich herum, wir haben einen weiteren Hand – Nüstern Kontakt und dann steigt sie… Pure Lebensfreude, Ausdruck von Kraft und Lebendigkeit. Wie schön sie dabei aussieht! Nur leider habe ich kaum genug Raum, um diese Schönheit zu bewundern. Auf Armeslänge vor mir steigen…. irgendwie nicht so wirklich angenehm für mich. Ich mache einen halben Ausfallschritt nach hinten, strecke meinen Oberkörper vor, hebe beide Arme und brülle kurz. Das Brüllen könnte ich mir sparen, doch es geschieht einfach. Es stört mich auch nicht, denn es hilft mir, meine Kraft zu spüren.
Stella kommt wieder auf alle vier Hufe, wendet sich und kommt mit mir, als wäre nichts gewesen. Nur ihr Gang verrät, dass sie stänkern und toben möchte. Doch sie benimmt sich und schaut sehr zufrieden, als wir am Gatter stehen und sie ihr Halfter über gezogen bekommt. Beim Putzen ist sie eine Zeit lang geduldig, dann zeigt sie an, in welche Richtung sie jetzt gerne gehen möchte. Natürlich bitte ich sie auf ihren Platz zurück. Sie hebt den Kopf und… wow… so einen Hals habe ich bei ihr nur selten gesehen! Irgendwie muss ich schmunzeln. Ihre Halsmuskeln sind so angespannt, ihre Haltung so stolz und mächtig, dass ich unweigerlich grinsen muss. „Ja ich weiß, du bist eine stolze Spanierin… du gebierst Stierkämpfer… du bist mächtig… – und jetzt komm wieder runter…“
Ich lege meine Hand sanft auf ihren obersten Halswirbel und massiere sie weich, während ich mit meinem Kopf nach unten nicke und sie auffordere, das Gleiche zu tun. Nach ein paar Sekunden wird sie weich und ist wieder das Pferd, mit dem ich meistens zu tun habe. Was für ein Spaß! Vielleicht hätte ich mir doch lieber ein braves Kaltblut kaufen sollen? Aber nein…
Als ich mit ihr auf den Reitplatz gehe, um ein wenig Abstand und Vorderhand wenden zu üben, geht das besser als ich vermutet hätte und wir machen kleine Fortschritte. Nach einer kleinen Pause möchte ich noch zwei Runden Trab von Madam. Sie folgt der Übung vorbildlich auf der einen Hand. Doch nach dem Richtungswechsel sie tut so, als wüsste sie nicht, dass Pferd ganze Kreise gehen kann. Herrjeh… – ich bin zu weich, zu geduldig, zu wenig fordernd. Die stolze Dame wird sich heute nicht bewegen… nicht wenn ich nicht lerne, meiner Sache ebenso sicher zu sein, wie sie sich ihrer Sache ist. Ich rumpel wieder voll an meine Grenzen und werde langsam zornig. Das ist wenig bis gar nicht hilfreich, doch so ist es eben. Sie läuft einen knappen Kreis und kommt dann geschmeidig zu mir in die Mitte getrabt: ‚Aufgabe erledigt… ich habe fertig‘.
Nö du… Irrtum. Ich bin gerade bei meinem fünften oder sechsten Versuch, eine ganze Runde Trab von Stella zu bekommen, da kommt Martina in den Stall und schaut sich unser Spektakel an. Nachdem ich genervt bin, übergebe ich ihr gerne mein Pferd und schaue, was ich beim Zusehen lernen kann.
Stella spielt ihr Spielchen weiter. Doch Martina, ziemlich ungerührt davon, bleibt weich und flexibel, geht kleine Kreise, weitet diese und erst dann leitet sie das Circeln ein. Wunderbar. Es dauert ein wenig, doch Stella gibt sich endlich in die Übung. Also was habe ich gelernt? Loslassen… wieder einmal. Ruhig bleiben. Agieren statt reagieren.
Ich habe nachgespürt, was mich so triggert, dass ich den Kontakt zu mir verliere und in reaktiven Aktionismus falle. Das war spannend. Es ist der passive Widerstand, der mich an Stellen packt, wo ich noch heilen darf… und wachsen.
Danke Stella. Du hast mich wieder mit der Nase direkt rein getunkt. … das Lustige ist, jetzt da ich mein Thema präsent habe, folgt Stella meinen Signalen wieder… – auf in die nächste Runde